Artikelserie "Schkeuditzer Gaststätten zwischen 1900 und Heute"
Serie 2 Schkeuditzer Gasstätten zwischen 1900 und Heute
Vorwort: nach einer, leider etwas längeren Zwangspause, beginne ich heute mit der 2. Artikelserie über unsere Schkeuditzer Gaststätten ab 1900
1. Der Ratskeller im neuen Rathaus
Ein neues Gewerbegesetz in Schkeuditz bringt entscheidende Veränderungen und eröffnet allen Gewerbetreibenden in Schkeuditz viele neue Möglichkeiten der Entfaltung. Aus dem "Ackerbürgerstädtchen" wird in den folgenden 50 Jahren eine wohlhabende Industriestadt Als eines der ersten sichtbaren Zeichen für den positiven Wandel, entsteht ein neues, repräsentatives und stilvolles Rathaus.
Der darin neu entstandene Ratskeller, mit seiner Wandtäfelung und dem schweren Eichenholzmobiliar, ist Ausdruck des gewachsenen Wohlstandes Schkeuditzer Bürger. Am 28. Oktober des Jahres 1913 , dem Tag der Einweihung des neuen Rathauses, eröffnet auch der neue Wirt, Alois Kafka, mit einem Festessen den neuen Ratskeller !
In einem Artikel des Schkeuditzer Wochenblattes vom 22.06.1913 ist folgendes zu lesen:
Der Ratskeller im hiesigen , neuerbauten Rathause soll vom 1.10. des dieses Jahres für die Dauer von 6 Jahren verpachtet werden. Der Ratskeller besteht aus einem größeren und einem kleineren Gastzimmer, einem Vereinssaal, einer Küche und einer Wohnung mit Kelleraum und reichlich Nebengelass Ferner gehören dazu ein Schankgarten mit Kolonnaden und eine doppelseitige Kegelbahn im Gebäude. Sämtliche Räume sind mit einer Zentralheizung ausgestattet. Das Wirtschaftsmobiliar liefert die Stadtgemeinde. Den Verpachtungstermin haben wir auf Sonnabend , den 05.07. des Jahres, vormittags 10 Uhr im kleinen Saal des alten Rathauses anberaumt, in welchem mündliche und schriftliche Angebote entgegen genommen werden. Die Reflektanten ( Bewerber) müssen in der Lage sein, aus eigenen Mitteln eine "Barkaution" von 5000,- Mark zu stellen.Wir behalten uns die Zuschlagserteilung zu den Angeboten oder die Ablehnung sämtlicher Angebote vor !
Schkeuditz, den 17.06.1913
Der Magistrat
Interessant ist dann der Eingang der Gebote!
Am Sonntag den 06.07.1913 erscheint daraufhin umgehend folgende Meldung in der Zeitung:
Betrifft. Verpachtung des neuen Ratskellers im Rathaus.
Es haben geboten : Gastwirt Kreimeier 2500,- Mark
Gastwirt Brendel 2600,- Mark
die Sternburgische Brauerei 3000,- Mark
Hugo Langrock, Lindenau 3000,- Mark
An schriftlichen Geboten waren bereits eingegangen :
Erwin Streubel, Stützerbach 2200,- Mark
Emil Kopp, Altenburg 2500,- Mark
Oskar Dassel, Altenburg 3000,- Mark
Alois Kafka, Stendal 3600,- Mark
und Paul Heinz, Lichtenstein 4000 bis 4500,- Mark
Unter Berücksichtigung weiterer Faktoren erhielt Alois Kafka aus Stendal den Zuschlag, der dann am 03. Oktober 1913 den Ratskeller eröffnete.
Die Liste der Wirte ab der Eröffnung:
1913 bis 1917 Alois Kafka, 1917 bis 1921 Johann Stiebnitz, 1921 bis 1928 Karl Günther, 1928 bis 1935 Wilhelm Grabs, 1935 bis 1946 Sternenbrauerei Schkeuditz,
1946 bis 1948 Alois Lipp, ab 1948 bis 1957 Max Vetterlein
Ab 1948 wird zum betreiben öffentlicher Einrichtungen eine "Erlaubnisurkunde" vergeben. Diese Urkunde ist wichtig, denn alle Bewerber müssen ab sofort nachweisen, dass sie keine aktiven Nazis waren. Nach Max Vetterlein, ab 1957 bis 1985, beginnt die "schwärzeste Zeit" für den Ratskeller. Die "Konsumgenossenschaft Schkeuditz" übernimmt den Ratskeller in Pacht.
Im neuen "sozialistischen Gedankengut" ist kein Platz mehr für altehrwürdige, bürgerliche Einrichtungen, wie den Ratskeller. Der Rat der Stadt und die Konsumgenossenschaft sind sich dabei einig, die gesamte Einrichtung, - Mobiliar, Wandtäfelungen schmiedeeiserne Lampen und Verkleidungen und vieles mehr, müssen raus! Primitive Kantineneinrichtungen ersetzen jetzt alles. Ein Aufschrei geht durch Schkeuditz! Sofort wird der Ratskeller im Volksmund als "Wartesaal" bezeichnet. Ab jetzt gleicht er einem vergleichsweise tristen Wartesaal der Reichsbahn. 1985 übernimmt der neue Wirt, Olaf Heß, den Ratskeller, nachdem man den "Frevel" mit viel Aufwand einigermaßen beseitigt hatte. Er gestaltet das Lokal wieder zu einem "Ratskeller" . Leider sind alte, bestehende Verbindlichkeiten an die Konsumgenossenschaft sehr hoch, so dass Hr. Heß gezwungen ist den Ratskeller nach 14 Jahren, im Jahr 1999, aufzugeben. Danach erlebt der Ratskeller erneut eine unrühmliche Phase. Im Juni 2000 übernimmt der Grieche, Sakis Boulumbassis, als Pächter den Ratskeller und nennt das traditionsreiche Haus " Athen ". Fortan gibt es monatelange Streitereien mit der Stadtverwaltung, worauf er als Pächter im Januar 2001 fluchtartig den Ratskeller verlassen hat. Ein Stapel unbezahlte Rechnungen sind seine Hinterlassenschaft! Schließlich übernimmt am 16.April 2003, Frau Hoph Tran Thi, den Ratskeller als neue Pächterin. Fortan heißt das Lokal jetzt " Asia Restaurant".
Im rustikalen Ambiente wird jetzt neben deutscher Küche auch eine breite Palette der chinesischen und thailändischen Küche angeboten, was von den zahlreichen Gästen sehr gut angenommen wird.
Quellen: Archiv –Stadtmuseum Schkeuditz-
Zusammenstellung und Vortrag v. Klaus Wagner
(Mitglied im Schkeuditzer Museums- und Geschichtsverein)
„Schkeuditzer Gaststätten zwischen 1900 und heute“