Artikelserie "Schkeuditzer Gaststätten zwischen 1500 und 1900"
Serie 1 - Rund um den Markt
3. Gasthof "Blauer Engel"
Ebenso wie der Gasthof "Zur Goldenen Sonne" fungierte der Gasthof "Zum Blauen Engel" hauptsächlich als Ausspanne und Rast für die Pferde und die Reisenden auf ihrem Weg nach Leipzig. Das genaue Alter lässt sich heute nicht mehr ermitteln, aber nach Überlieferungen könnte der Gasthof seit dem 11. Jahrhundert existieren! Er wird in Verbindung mit der Erteilung des Verbietungsrechtes (Konkurrenzausschluss) nachweislich im Jahre 1555 erwähnt.
Die Fassade ist bis heute durch die Freitreppe und das Renaissance-Sitznischenportal geprägt. Diese Türform war im 16. und 17. Jahrhundert sehr verbreitet. Ihr Ursprung lag in den gotischen Kirchenportalen. Die Jahreszahl 1660 mit den Buchstaben A.B. über dem Portal bezieht sich auf die Erneuerung des Hauses nach dem 30-jährigen Krieg.
Die Geschichte des Hauses ist seit dieser Zeit eng mit der Familie Lessing verbunden, was dazu geführt hat, dass das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wurde, worauf eine Gedenktafel am linken Aufstieg der Freitreppe hinweist.
Als erster kam Matthias Lessing als Schuldirektor nach Schkeuditz. Sein Sohn, Christian Lessing, der später 4 Söhne hatte, war bis 1624 Stadtrichter. Der 1.Sohn, ebenfalls mit dem Namen Christian Lessing, geboren 1607, wurde Bürgermeister von Schkeuditz und Wirt des Blauen Engels bis 1685. Alle Bürger hatten in dieser Zeit des 30-jährigen Krieges unter dessen Folgen und unter brandschatzenden Truppen, wie den Truppen Tillys, Wallensteins, Holcks und der Schweden arg zu leiden. Schkeuditz brannte in diesen Jahren nachweislich 12-mal ab !!! Leider gibt es keine konkreten Aufzeichnungen, in wie weit auch der Blaue Engel davon betroffen war. Der 2. Sohn, Christian Friedrich Lessing war, wie sein Vater, bis 1682 ebenfalls Schuldirektor in Schkeuditz. Der 3. Sohn, Carl Lessing, übernahm den Blauen Engel von 1641- 1687 und war nebenbei Stadtrichter. Der vierte Sohn, erst 1647 geboren, Theophilus Lessing, siedelte nach Kamenz um, da der Krieg den Wohlstand der Familie zu großen Teilen zerstört hatte. Dessen Sohn, Johann Gottlieb Lessing, war Pastor und Verfasser vieler theologischer Schriften und ist der Vater von Gotthold Ephraim Lessing. (1729-1781) Der 2. Sohn von Carl Lessing, der ebenfalls Carl Lessing hieß und wiederum Stadtrichter war, führte den Gasthof bis 1722. Dessen 10. Sohn, Carl Friedrich, führte danach den Gasthof weiter. Erneut waren die nachfolgenden Jahre geprägt von Kriegen (Schlesischer Krieg 1744/45 und dem siebenjährigen Krieg 1756/63). Dabei brachten die wechselnden Besetzungen große Belastungen für die Stadt und den Gasthof.
Weiterführend übernahm Sohn Carl August Lessing (1742-1819) den Blauen Engel.
In der Zeit der Befreiungskriege 1813-1815 wurden französische, russische und preußische Truppen einquartiert. Nach der Völkerschlacht zu Leipzig diente der Blaue Engel auch eine Zeit lang als Lazarett. Hier endet die Tradition in der Führung des Gasthofes durch die Familie Lessing. Am 24.April 1816 pachtet Carl Friedrich Schmidt den Gasthof, der im Rahmen einer Versteigerung für die Summe von 3500 Taler am 18.2. 1819 in seinen Besitz übergeht. Sein Sohn, Franz August Schmidt, übernimmt am 29.9.1846 den Gasthof und verkauft diesen 12 Jahre später am 31.7.1856 an Johann Friedrich Laue für stolze 5500 Taler ! Ab Mai 1877 führt Sohn Friedrich Ernst Laue, später ab 1902 seine Frau Emilie Laue und ab 1913 deren Sohn, Fleischermeister Richard Laue, den Gasthof. Unter ihm wird der „Blaue Engel“ Partei-Lokal der NSDAP und Sturmlokal der SA. Im Rahmen der Entnazifizierung wird das Lokal 1945 geschlossen. 1947 übernimmt ein Hr. Bergmann den Gasthof, der dann 1948 der HO als „ Gaststätte am Markt“ übergeben wird. Nach der Auflösung der HO wird die "Schkeuditzer Wohnungsbau und Verwaltungsgesellschaft" Eigentümer der Gasstätte. Von 1991 bis 1999 betreibt als letzter Pächter, Rolf Schatz die Gasstätte.
Der "Blaue Engel" hat nach über 400 Jahren seine Pforten geschlossen !
Das Landratsamt -Leipziger Land- erlässt am 3.November 1998 die „Denkmalschutzrechtliche Genehmigung“ für das Gebäude
Quellen:
Archiv –Stadtmuseum Schkeuditz-
Zusammenstellung und Vortrag v. Klaus Wagner (Mitglied im Schkeuditzer Museums- und Geschichtsverein) „Schkeuditzer Gaststätten zwischen 1500 und 1900“
In eigener Sache: Ergänzende, autentische Fakten, Episoden und Bilder zu den einzelnen Objekten werden von uns dankbar entgegen genommen.