Bismarckturm in Schkeuditz?
Gibt es einen "Bismarckturm" in Schkeuditz und wer kennt ihn?
Diese Frage können sicher die wenigsten beantworten. Zugegeben, bei Schkeuditz wird zumeist erst einmal an die Kernstadt gedacht. Aber auch wenn die dazu gehörigen Gemeinden mit eingeschlossen werden, fällt die Antwort sicher nicht viel anders aus. Und doch, es gibt einen! Die Frage ist, wo?
Doch dazu kommen wir gleich. Interessant ist doch an dieser Stelle, warum kennt ihn fast keiner und wer hat ihn denn nun gefunden? Es ist gut zu wissen, dass die Mitglieder unseres Museums- und Geschichtsvereins bei den unterschiedlichsten Recherchen zu unserer Stadtgeschichte, sowohl in den Archiven unseres Stadtmuseums, als auch in den verschiedenen Medien und dem Internet auf Anhaltspunkte stoßen, denen dann sehr oft vor Ort nachgegangen wird. Dabei wird immer wieder Erstaunliches erlebt und entdeckt. Beenden wir hier die Einleitung, oder wie man heute auch sagt, den Spannungsbogen. Unser Vereinsmitglied, Dieter Drabsch, ist im Internet auf eine Postkarte gestoßen, die einen Bismarckturm in Radefeld aus dem Jahre 1901/1902 zeigt.
Was macht also ein geschichtsinteressierter Mensch wie Dieter Drabsch, er fährt hin! Und tatsächlich findet er dort nach dem Einholen einiger Auskünfte ein Turm, oder besser gesagt den Rest von einem Turm.
Um die Entstehung, den Zweck und das Dasein des Turmes zu jener Zeit, ranken sich viele Gerüchte, Legenden und Episoden. So hat man zum Beispiel auch in einem Artikel der LVZ vom 11.Juni 1999, unter der Rubrik LOKALES, versucht etwas Licht in diese Geschichte zu bringen. Zu den wenigen belegbaren Tatsachen, gehören unter anderem nachfolgende Fakten:
Der Bismarck-Verehrer und Baumeister Gustav Hermann Tautz aus Leipzig plante seit Oktober 1901 in Radefeld bei Schkeuditz, in der eigens neu angelegten Parkanlage auf der Anhöhe neben einer Burgruine, einen Bismarckturm zu errichten. Hier ist schon unklar, ob der Name "Tautz" oder "Dautz" richtig ist. Ein eindeutiger Nachweis lässt sich nicht erbringen. Belassen wir es hier bei Tautz! Die meisten Bauarbeiten soll G.H.Tautz auch selbst ausgeführt haben. Als Baumaterial soll er wohl roten Sandstein aus Rochlitz und Kalksteine aus Altenburg verwendet haben. Andere Quellen berichten, die Steine, bzw. ein Teil davon stammen vom Abriss eines Bahnhofes in Leipzig. Der Turm hat eine Höhe von 16,4 Metern und schließt sich nördlich an ein Wohngebäude an, deren Fassade mit hunderten von Muscheln verziert ist.
Diese Fassade ist bis heute erhalten geblieben. Es wird berichtet, dass der Turm insgesamt als ein Teil mit einem, am Ende unvollendeten, schlossartigem Gebäude errichtet wurde, auch als Radefelder Neuschwanstein bezeichnet... Damalige Aufzeichnungen beschreiben das Äußere, wie das innere des Gebäudekomplexes wie folgt:
In der Mitte der Schau- oder Hauptseite, die nach Norden weist, befindet sich ein großes Fenster mit gotischen Spitzbögen (welches auch heute noch erkennbar ist). Darüber verläuft ein offener Gang mit einem zinnenverzierten Balkon. Dieser bildet die Verbindung zu einem spitzbedachtem, sogenannten Söller. (ein Söller oder Altan ist eine offene, auf Stützen oder Mauern ruhende Plattform eines Obergeschosses eines Gebäudes). Auf Bildern ist zu erkennen, dass man über eine Leiter auf die Plattform des eigentlichen Turm gelangte, welcher unbedacht war. Die oben rundherum abschließenden Fenster waren durch kleine Auskragungen verziert. Auf der Westseite befand sich am Gebäude ein kleiner Erker mit einem Fenster. An der Nordseite des Turmes wurde ein Bismarck-Relief angebracht, welches von den Bildhauern, Gebrüder Ahnert, aus Leipzig angefertigt worden war.
Von einem rückwärtigem Eingang gelangte man in den Eingangsbereich von dem eine eiserne Wendeltreppe in oben gelegene kleine Räume führte, die mit Samt ausgeschlagen gewesen sein sollen. Belegt ist, dass die Turmeinweihung am Mittwoch, 12.11.1902 im Beisein des Ortsvorstehers Paul Beil u.a. Personen stattgefunden hat.
Was erzählen nun die vielen Legenden, wer war dieser Gustav Herrmann Tautz?
Viel ist dazu nicht bekannt. G.H. Tautz als Erbauer soll ein Leipziger Baumeister gewesen sein. Man erzählt sich, es habe tolle Partys mit Fliegeroffizieren und deren Freundinnen vom nahe gelegenen Militärflughafen in Lindenthal gegeben.
Im anschließenden Park habe es ein Teich mit einer kleinen Brücke und eine so genannte "Blaue Grotte" gegeben, die mit Gips wie eine Tropfsteinhöhle gestaltet war. Es gab zu dieser Zeit einen Leipziger Architekten, Oscar Mothes, der wohl solche Grotten gebaut haben soll.
Erzählt wurde aber auch, dass G.H. Tautz einen Lottogewinn gemacht haben soll. Später sei er nach Berlin gezogen, wo er Pleite gemacht hätte. Daraufhin hätte seine Ehefrau ihn entmündigt und er habe letztlich Selbstmord begangen. Was an all diesem wahr ist und was nicht, wir wissen es nicht. Bisher konnten leider keine weiteren, nachweislich authentischen Quellen ausfindig gemacht werden!
Vielleicht führt unser kleiner Bericht dazu, dass jemand mit weiteren Ergänzungen auf uns zukommen kann! Wir würden uns freuen (die Kontaktmöglichkeiten sind unserer Homepage zu entnehmen).
Heute steht die Turmruine auf einem Privatgrundstück (zwischen "Gartenstraße" und "Am Oberen Anger") und kann nicht betreten werden.
Abschließend sei noch erwähnt, dass es insgesamt 240 Bismarcktürme gegeben hat, von denen noch 173 existieren und in Deutschland von 184 heute noch 146 erhalten sind. Teilweise sind sie in einem sehr gutem Zustand und öffentlich begehbar. In unserer unmittelbaren Nähe sind außer dem Lützschenaer Turm noch der in Weißenfels, auf dem Petersberg bei Halle, in Wettin-Löbejün und der in Wurzen interessant.
Quellen.
http://www.bismarcktuerme.de/ebene4/sachs/radefeld.html
- Lexikon der Bismarck-Denkmäler, Imhof-Verlag Petersberg, 2005, S. 323
-Mannheim (Archiv Seele): BISMARCK-TURM von RADEFELD (Sachsen)
-Archiv Stadtmuseum Schkeuditz
Bildmaterial:
- historische Ansichten: Archiv J. Bielefeld
- Christoph Kloth, Brandenburg (Juni 2004)
- Ralph Männchen, Dresden (Fotos Dezember 2004)
eigene Fotos ( D. Drabsch, W.Göhler -Mitglieder im Schkeuditzer Museums -und Geschichtsverein ) vom Februar 2018